Warum die Kuh lila ist!
Neulich im Streichelzoo. Eine Vierjährige zieht am Ärmel ihrer Mutter und deutet auf den Wiederkäuer vor sich. Mama, warum ist die Kuh braun? – Wieso denn nicht? – Aber Kühe sind doch lila! Erstaunen macht sich breit. Die Eltern sind bestürzt darüber, wie sehr die Konsumwelt die Vorstellungen ihres Sprösslings prägt. Andererseits zeigt das Beispiel auch, wie stark sich positive Eindrücke (Schokolade!) in unserem Gehirn festsetzen. Und wie groß die Macht der Farbe dabei ist. Farbpsychologen und Marketingstrategen haben dem Thema Farbgebung seit jeher große Bedeutung beigemessen. Das Neuromarketing hat die Welt der Farben und ihre Wahrnehmung im Kopf genau unter die Lupe genommen. Hat ein sonnengelbes Produkt tatsächlich bessere Chancen, spontan gekauft zu werden? Und wieso gibt es am meisten schwarze Autos und so gut wie kein violettes Werkzeug?
Laut Neuromarketing-Experte Dr. Hans-Georg Häusel hängt das von drei Wirkungsebenen ab, die der Farbe ihre Bedeutungskraft verleihen. 1. der individuelle Erfahrungshorizont, zum Beispiel defniert durch die Lieblingsfarbe. 2. die Überlieferung von Farbbedeutungen, etwa in Redewendungen wie „grün vor Neid sein”. Und 3. die Bedeutung der Farbe vor dem kulturellen Hintergrund. Am Beispiel: Weiß wird bei uns mit Unschuld, Reinheit und Jugend gleichgesetzt, während es in Teilen Asiens Trauer bedeutet. Häusel hat eine Limbic Map® erstellt, die Farben in verschiedenen Emotionswelten verortet. Je nachdem, wie die eigene Zielgruppe emotional einzu schätzen ist, sollte das Corporate Design einen entsprechenden Farbkosmos aufgreifen, in der sich die Zielgruppe wiederfindet. Violett, da wären wir wieder beim eingangs erwähnten Wiederkäuer, steht in der Limbic Map® übrigens für Abenteuer. Sicher ist: Kleine Schokofans würden das unterschreiben.
Bleibt die Frage nach der wissenschaftlichen Belegbarkeit solcher Ansätze. Die Farbgebung ist im Rahmen der Markenführung durch Corporate Design einer der wichtigsten, weil eben kaufentscheidenden und Glaubwürdigkeit fördernden Aspekte. Wissenschaftliche Studien der letzten Jahre belegen, dass 90 % der spontan gefällten Urteile über ein Produkt auf seiner bzw. der Verpackungsfarbe basieren. Offenkundig spielt es dabei eine maßgebliche Rolle, dass der Charakter des Produkts in direkter Korrespondenz zur Farbwahl steht. Am einfachen Beispiel erklärt: Ein Bestatter mit einem rosa- oder orangefarbenen Logo wird sich gegenüber der farblichen Erwartungshaltung seiner Zielgruppe eher schwer tun. Das hat auch damit zu tun, dass das Gehirn Wiedererkennbarkeit und damit Berechenbarkeit liebt. Was wir wieder und wieder sehen, gefällt uns irgendwann und normiert unseren Blick.Dieser Umstand lässt anfänglichen visuellen Außenseitern immerhin die Chance, sich zu etablieren.
Studien der Stanford-Professorin Jennifer Aaker haben gezeigt, dass die Farben von Corporate Design, Produkten und Verpackungen den angestrebten Charakter einer Marke unterstützen sollten, um die Akzeptanz bei der Zielgruppe zu maximieren. Auf diesen Prozess können zielgruppenspezifische Aspekte wie das Geschlecht der Kunden einzahlen. Männer bevorzugen in der Tendenz die Farben Blau, Grün und Schwarz, während Frauen Blau, Grün und Lila favorisieren. Hinzu kommt eine kulturelle Präferenz für bestimmte Farben.
Was also gilt es bei der marketingstrategischen Farbwahl für Marken und Produkte zu bedenken? Farbgebung ist ein aufwändiger Prozess ohne eindeutige Regeln. Den Blick auf die Zielgruppe, ihre Erwartungshaltung, den jeweiligen Markt und den Charakter von Produkt und Marke gilt es miteinander in einen farblichen Ton zu gießen. Eine interessante Erkenntnis gibt die Forschung dabei noch mit auf den Weg: Farben mit ausgefallenem Namen verkaufen sich besser und verleihen ihrer Marke mehr Authentizität. Das zeigen sehr anschaulich „Serenity” (Hellblau) und „Rose Quartz” (Rosa), die beiden Pantone Colors of the Year; aber auch Lebensmittel-, Kosmetik- und Modehersteller bedienen sich einer geradezu poetischen Farbnamensgebung, um ihre Produkte als besonders trendig zu lancieren. Die Kür ist gelungen, wenn schließlich aus der Logofarbe das Nivea-Blau, Telekom-Mangeta oder Coca-Cola-Rot geworden ist. Denn dann wird die Farbe selbst zur Marke.
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